Bad Staffelstein, 6. Juli 2019
"Lieder auf Banz"

Ein Konzertbericht von "Spike"

Ich weiß nicht wie oft ich mir schon die alljährliche TV-Zusammenfassung im Bayrischen Fernsehen angesehen habe und immer wieder dachte: Da müßte man auch mal dabei sein! ... "Songs an einem Sommerabend", wie es bis 2016 noch hieß, war so etwas wie das Rock-am-Ring der deutschen Liedermacherszene: Die großen drei - Wader, Wecker und Mey - gaben sich da alljährlich die Klinke in die Hand, Songwriter-Größen wie Heinz Rudolf Kunze, Chansonniers wie Klaus Hoffmann - dazu junge Talente wie Bodo Wartke, Viva Voce, Claudia Koreck und viele andere und natürlich die Preisträger des Nachwuchswettbewerbs mit ihrem ersten großen Auftritt.
Tja, und dann kam letzten Sommer dieser Newsletter von Chrischi, in dem stand, daß nicht nur Wolfgang, sondern auch gleich noch mehrere seiner musikalischen Freunde 2019 bei "Lieder auf Banz" dabei sein würden. Wolfgang Ambros, Maschine mit Julia Neigel und Uwe Hassbecker, Schmidbauer, Kälberer und Pollina und auch noch der Ringlstetter, der im Circus Krone 2018 einen Gastauftritt hatte - ab diesem Moment gab es kein "Soll ich?" mehr sondern nur noch ein "Wer geht noch alles mit?"! Großmeister Ulli hatte schon selbst ein Ticket geordert und zu mir gesellte sich noch Natascha - seit 20 Jahren bei vielen meiner Konzert-Trips dabei - und meldete gleich noch ihren Mann mit an: Ruck-zuck waren die Wiesen-Tickets gekauft, die zumindest die Chance boten, vielleicht relativ nah an der Bühne einen Platz für unsere Picknickdecke zu ergattern. Als Vorprogramm hatten Ulli und ich noch am Freitag Udo Lindenberg in der Schleyerhalle Stuttgart auf dem Plan, so daß die Anreise am Samstag vormittag von dort nach Oberfranken ging - sehr entspannt auf relativ leeren Autobahnen.

Nach Check-in im Hotel ging's weiter Richtung Kloster Banz, wo lange vor dem offiziellen Einlaß schon alle Wiesen vollgeparkt und auch am Straßenrand nicht nur bis hoch zum Kloster, sondern noch über 1km weit den Berg wieder runter ein Auto am andren am Straßenrand geparkt war - 15min Fußweg wieder hoch zur Klosterwiese, die auch schon bis oben voll schien, als wir uns in die Schlange stellten. Aber wir hatten Glück, denn nur rechts und in der Mitte war voll, die linke Seite der Wiese füllte sich von oben her und wir landeten daher im unteren Drittel mit gutem Blick von links oben auf die Bühne. Eine Moderatorin dirigierte die Ankommenden in herrlichem fränkischen Dialekt zu den noch freien Wiesen-Plätzen und sorgte auch sonst bis zum Konzertbeginn um 19Uhr mit flotten Sprüchen für Unterhaltung. Für Speis und Trank war reichlich gesorgt - überhaupt war eine herrlich entspannte Atmosphäre bei bestem Sommerwetter. In der Schlange hatte sich noch Andrea aus Würzburg zu unserer Truppe gesellt und komplettierte die Wohlfühl-Truppe.

Um 19Uhr eröffneten Viva Voce, die die Moderation des Konzertes übernahmen und die Umbaupausen jeweils mit A-Cappella-Songs überbrückten, den Abend und überließen dann Hannes Ringlstetter die Bühne, der mit seiner Band vier seiner frechen Dialektsongs über Niederbayern und seine Bewohner in seinen 25min Auftrittszeit spielte. Das sollte auch der Rhythmus des weiteren Abends sein: 25 min Konzert, 5 min Umbaupause mit Viva Voce. So kamen abwechselnd immer ein Nachwuchspreisträger und einer der schon etablierten Künstler zum Zuge: Pianistin Christin Henkel mit der Band ohne Haar (ihr Begleiter am Cello) mit Klavier-kabarettistischen Songs über Zeitgeist und unerotische Dialekte, Hans Well & die Wellbappn mit ihren politischen Gstanzerln in bairischem Dialekt wie man sie von der Biermösln Blosn kennt - herrlich ihr Lied über die erste IAA nach der Verkehrswende mit den neuen Automodellen wie dem "Daimler Demenz", der autonom mit dem Rentner gegen die nächste Wand fährt, und so nicht nur das Abgasproblem, sondern gleich noch Renten- und Pflegenotstand mit löst. Lennart Schilgen sang uns zur Akustikgitarre u.a. den "Liegen bleiben Blues" und einen radikalen Song gegen die Entschlossenheit - das Publikum skandierte mit gereckter Faust:"Nein, wir entscheiden uns nicht!". Der Schweizer Roger Stein beendete nach knappen 2 1/2 Stunden den ersten Teil des Abends mit spitzzüngigen Texten über deutsche Prinzipienreiterei und Philosophischem über das Glück ...

Nach einer halben Stunde Pause eröffnete Wolfgang Ambros - nun schon im Dunkeln mit toll illuminierter Glasdach-Bühne - mit seinen 2 Begleitmusikern den 2. Teil des Konzertabends. Mit "Frage der Zeit" und "Du bist wia de Wintasun" begann sein Set, gefolgt von "Heidenspaß", dessen Text "Mir geht es wie dem Jesus, mir tut das Kreuz so weh." leider inzwischen nur zu wahr ist und dem Wolferl auch anzusehen war - vielleicht auch deshalb gab es leider keinen Gastauftritt von ihm später bei unserem Wolfgang. Sein Set beschloß er mit den unvermeidlichen "Zwickt's mi" und "Schifoan", die das mittlerweile stehende Publikum auf der Wiese mitschmetterte - ich hätt' letzteres zu gerne gegen ein "Für immer jung" mit Wolfgang & Wolfgang eingetauscht. Nach ihm kam die Wiener Band "Belle Fin" mit einer Art Wiener Weltmusik, die letzten der drei Nachwuchspreisträger. Mit Julia Neigel und Uwe Hassbecker, verstärkt durch einen weiteren Gitarristen, wurde es nun wieder rockiger und Julia brachte die Wiese zum aufstehen, mitklatschen und mitsingen bei "Der perfekte Tag" - erst zu den zweiten beiden Songs kam dann auch Maschine dazu. Dann bekamen auch "Viva Voce", die zum letztenmal die Moderation des Festivals machten, noch ihren Auftritt mit drei, vier Songs, und danach dachten wir: Jetzt ist es endlich soweit!

Ja, das absolute Highlight für uns - und für das ganze Publikum - wurde nun angesagt: Aber es war nicht was wir erwartet hatten, denn auf die Bühne kam Wolfgang - ein Mann in den 50ern mit Akustikgitarre und Sakko, und der Moderator erklärte uns, daß ein Hobbymusiker ohne Ticket angereist war in der Hoffnung, vor Ort dann noch eines zu bekommen. Und der hatte dann mit seiner Gitarre und Songs von Reinhard Mey die Warteschlange unterhalten, was den Veranstaltern so gefiel, daß sie ihn nicht nur als Zuschauer einluden, sondern er durfte an beiden Abenden vor dem Finale einen Song auf der Bühne spielen - und wie er das tat! Mit "Nein, ich laß dich nicht allein" von Reinhard Mey sorgte er für minutenlange Gänsehaut, gefolgt von einem tosenden Applaus, nachdem die letzte Note verklungen war. Wie schön so dabei sein zu dürfen, als für diesen Mann ein Traum Wirklichkeit wurde ...

Es war fast Mitternacht, als Wolfgang nun endlich mit Akustikgitarre und Dylan-Mundharmonika-Gestell auf die Bühne kam. Locker und entspannt begrüßte er das Publikum und erklärte, daß einer seiner großen Helden schon in ganz jungen Jahren einen sehr weisen Text geschrieben hat. Wir wußten gleich, was kommen mußte: die Kölsche Fassung von Dylan's "My back Pages" - "Vill passiert sickher", das wir natürlich laut mitsangen. Danach gab er auch gleich noch seine "Visitenkarte" ab, und auch zu "Für 'ne Moment" erklang unser kleiner, aber feiner Publikums-Chor links außen auf der Wiese. Als nächstes kam eine absolute Rarität, denn diesen Song hatte er vor Banz überhaupt nur einmal live gespielt soweit ich weiß - wir bekamen die Kölsche Fassung von Ambros' erstem Hit "Da Hofer". Ulli, Andrea und ich waren bei der Live-Premiere im Tollhaus Karlsruhe 2015 dabei und genossen umso mehr, diesen Song nun ein zweites Mal zu hören. Zur Unterstützung kam dabei der erste musikalische Gast Martin Kälberer ans Piano. Beim nächsten Song kam dessen Freund Werner Schmidbauer mit auf die Bühne, und wie ein Jahr zuvor im Circus Krone in München bekamen wir die Gänsehaut-Version von "Noh Gulu" mit teils bairischen Strophen vom Schmidbauer und mit Kälberer an der "Hang" genannten fliegenden Untertasse (der schweizer Version der Steel-Drum). Und wieder rief Wolfgang einen weiteren Mitstreiter auf die Bühne: Der Chor für "Verdamp lang her" wurde von Hannes Ringlstetter, aber auch von tausenden Stimmen aus dem mittlerweile komplett stehenden Publikum verstärkt und wieder wechselten sich Wolfgang und Werner Schmidbauer mit kölschen und bairischen Strophen ab. Es muß ein erhebender Anblick für Wolfgang gewesen sein, die Wiese voller singenden Menschen im Licht der bunten Bühnenscheinwerfer zu sehen! Zum Abschluß seines Auftritts kam nun auch noch Pippo Pollina und ein weiterer Musiker aus Ringlstetter's Band auf die Bühne, und mit "You ain't goin' nowhere" in einer extralangen Fassung mit englischen, kölschen, bairischen und sogar einer italienischen Strophe und Harp-, Tenorhorn- und Posaunen-Solo des Multi-Instrumentalisten verabschiedete sich Wolfgang erstmal von der Bühne auf der Klosterwiese.

Doch es ging nahtlos weiter mit dem "Süden II"-Finale, das Schmidbauer, Kälberer und Pollina nun etwa 45 Minuten lang zelebrierten: Es war eine Demonstration von Freundschaft, Weltoffenheit und Humanität mit Songs wie "Richtung Süden" über ihre gemeinsamen alljährlichen Silvesterfeiern in einem Dorf auf Sizilien, wie "Le citta dei bianchi" über die Sicht eines Flüchtlingskinds, das in die Städte der Weißen kommt, wie der Song "Stolz drauf" darüber, daß man nur stolz auf etwas sein kann, was man geleistet hat - und nicht auf die Zufälligkeit, in welches Land man geboren wurde - mit einer klaren Absage an falschen Nationalstolz und dem Bekenntnis zu Europa und Weltbürgertum. Zum Finale kamen dann die mitreißenden "Camminando" und "Mandela", zu dem die komplette Wiese mittanzte und den Refrain auf Kisuaheli mitsang, gefolgt vom stimmungsvollen "Passa il Tempo" als Abschluß. Danach kamen nochmals alle Künstler des Abends auf die Bühne und sangen "Nehmt Abschied Brüder", bei dem auch Wolfgang eine Stophe beisteuerte ... ein stimmungsvoller Schlußpunkt, der lange in Erinnerung bleiben wird.

So endete ein zum einen wunderbar entspannter, zum anderen wirklich erhebender und berührender Konzertabend am Kloster Banz und ich bin total dankbar, daß ich diesen Abend mit gleich mehreren meiner Lieblingsmusiker in bester Forumsgesellschaft erleben durfte - nicht zuletzt dank Chrischi's nimmermüder Fan-Arbeit und seinem Newsletter: wieviele tolle Momente hast Du mir schon beschert, lieber Chrischi!
Ein ganz großes Danke auch an Dich für diesen unvergeßlichen Abend ...

Bess demnähx!
Spike

BR-TV-Mitschnitt von "Lieder auf Banz 2019"