"„Wo's in diesem Text drum geht, weiß ich eigentlich auch nicht so genau. Ich glaube, angefangen hats mit einem Mädchen auf einem Fahrrad, das mir im Laufe eines Nachmittags mehrmals aufgefallen ist, weil es - anfangs noch ruhig, später immer aufgeregter - durch den Park fuhr und nach Alexandra rief. In der Abenddämmerung stand ich dann am Fenster und spielte dieses Spiel, bei dem man versucht, eine bestimmte, gerade erst in Sicht gekommenen Schneeflocke nicht mehr aus dem Blick zu verlieren und bis zum Boden zu verfolgen, wobei ich wiederum bemerkte, daß die Tage wieder länger werden.
So stand ich noch eine ganze Weile da und immer mehr Sachen gingen mir durch den Kopf, bis ich auf den Gedanken kam, sie in Verse zu fassen, am besten passend zu der Melodie, die mir jetzt schon seit paar Tagen nicht mehr aus dem Sinn gegangen war. Die Geschichte war ins Rollen gekommen, einiges nach Mitternacht hatte ich dieses Mosaik aus Bruchstücken durchlebter Situationen in einer sehr groben Fassung vor mir liegen, und je öfter ich's jetzt - ca. 2 Wochen später - beim Proben singe, desto klarer wird mir, was da wohl aus meinem Unterbewußtsein rauswollte: Von Einsamkeit durch Verlassensein ist da die Rede, davon, daß man meistens die Schuld dafür bei anderen und nicht bei sich selbst sucht, so wie sich beispielsweise die Ex-Partner gescheiterter Beziehungen zu oft so verhalten, als ob der jeweils andere bei allem, was er jemals getan und gelassen hat, nur aus purer Niedertracht gehandelt hat.
Jedes Fünkchen Verständnis füreinander scheint ausgelöscht, als hätte man niemals was füreinander empfunden, als würden alle Gemeinsamkeiten mit einem Schlag plötzlich nicht mehr existieren."

W.N. im Beiheft zur "Zwesche Salzjebäck un Bier"-LP 1984

Alexandra, nit nur do
Von der LP "Zwesche Salzjebäck un Bier", 1984  und dem Jubiläums-Album "Dreimal zehn Jahre", 2005

't blieht länger hell jetz – obwohl: 't ess immer noch Februar.
Ne Winter he's ausschließlich lästich, wie dä Matsch, dä als Schnie
uss schwere Wolken singe Wääsch nohm. Tänzerinne, nevvebei
– nur öm ze stirve, he om lauwrme Asphalt.
Kamikaze en 'ner Stadt, wo jede Hilferoof bloß unjehührt verhallt.

Alexandra, jevv et zo:
Mancheiner föhlt sich he em Stech jelooße.
Alexandra, nit nur do.

Mir fällt en Strooß enn, die vun Ostende bess Mekka
quer durch Europa als E5 führt. Wigger wohr ich noch nie.
Trotz all dä Breefe, die 'sch jeschrivve un nie affjescheck,
doch für die do "Entschuldijung!" Nohporto zahle mohts.
All die Errol Flynn-Visione – für jed' einz'lne däät si't lohne.
Sensatione mein ich, nit Madame Toussaud!

Alexandra, jevv et zo:
Mancheiner föhlt sich he em Stech jelooße.
Alexandra, nit nur do.

Do johvs mir Bruht un Spiele, Alexandra, ich weiß schon.
Do föhls dich wie ne ussrangierte Weihnachtsbaum noh Neujohr.
Wie 'n Aapeinsel ennzesinn stund ich vüür dir
un Aug en Aug kunnt ich dich lese wie e opjeschlaare Booch.
Ich hann e Leed dovun ze singe,
bloß op Dauer, Alexandra, wohr dat och wohl nit jenooch.

Alexandra, jevv et zo:
Mancheiner föhlt sich he em Stech jelooße.
Alexandra, nit nur do.

All Zer'monie, Beschwörunge un Rituale,
ding Cohen-Plaate, Jacques Brél-Sampler un Spazierjäng em Rähn.
Dann die rührende Versuche, affzeschöddele die Tristesse,
die wohren aussichtslos, die braaten't wirklich nit.
Denn eins ess sicher wie et Amen:
Dat wo suvill Kirche stonn, et "hundert Pro" en janze Hääd ze Bichte jitt.

Alexandra, jevv et zo:
Mancheiner föhlt sich he em Stech jelooße.
Alexandra, nit nur do.

 

Alexandra, nicht nur du
Übersetzt von Chrischi 1998

Es bleibt länger hell jetzt – obwohl: Es ist immer noch Februar.
Ein Winter hier ist ausschließlich lästig, wie der Matsch, der als Schnee
aus schweren Wolken seinen Weg nahm. Tänzerinnen, nebenbei
– nur um zu sterben hier auf dem lauwarmen Asphalt.
Kamikaze in einer Stadt, wo jeder Hilferuf bloß ungehört verhallt.

Alexandra, gib es zu:
Manch einer fühlt sich hier im Stich gelassen.
Alexandra, nicht nur du.

Mir fällt eine Straße ein, die von Ostende bis Mekka
quer durch Europa als E5 führt. Weiter war ich noch nie.
Trotz all der Briefe, die ich geschrieben und nie abgeschickt,
doch für die du - "Entschuldigung!" - Nachporto zahlen mußtest.
All die Errol Flynn-Visionen – für jede einzelne täte es sich lohnen.
Sensationen meine ich, nicht Madame Toussaud!

Alexandra, gib es zu:
Manch einer fühlt sich hier im Stich gelassen.
Alexandra, nicht nur du.

Du gabst mir Brot und Spiele, Alexandra, ich weiß schon.
Du fühlst dich wie ein ausrangierter Weihnachtsbaum nach Neujahr.
Wie eine Affeninsel einzusehen stand ich vor dir
und Auge in Auge konnte ich dich lesen wie ein aufgeschlagenes Buch.
Es tut mir leid davon zu singen,
bloß auf Dauer, Alexandra, war das auch wohl nicht genug.

Alexandra, gib es zu:
Manch einer fühlt sich hier im Stich gelassen.
Alexandra, nicht nur du.

Alle Zeremonien, Beschwörungen und Rituale,
deine Cohen-Platten, Jacques Brél-Sampler und Spaziergänge im Regen.
Dann die rührenden Versuche, abzuschütteln die Tristess,
die waren aussichtslos, die brachten es wirklich nicht.
Denn eines ist sicher wie das Amen:
Daß wo so viele Kirchen stehen, es "hundert Pro" eine ganze Menge zu Beichten gibt.